Mir hilft es nach wie vor nicht, wenn Mitmenschen von ihren Krebserfahrungen und Todesfällen in ihren Familien erzählen.
Warum sollte es mich ermutigen? Wahrscheinlich ist der Sinn dahinter, Empathie zu zeigen. Man will ausdrücken, dass man die Problematik durchaus kennt. Aber auch wenn ein Mensch schon mehrere schwierige Situationen in seinem Leben gemeistert hat – nichts ist vergleichbar mit unserer herausfordernden Zeit. Denn wir sind wir. Ganz individuell. Mit unseren Vorgeschichten, mit unseren eigenen leidvollen Erfahrungen (auch wir haben Todesfälle aufgrund von Krebserkrankungen in unseren Familien und im Freundeskreis erlebt) und mit unseren Resourcen. Nichts lässt sich mit dem vergleichen, was wir erleben und niemand kann uns schlussendlich unser Schicksal abnehmen, ausser Gott. Jedenfalls wird es uns nicht leichter gemacht, indem man uns von anderen Schicksalsschlägen erzählt. Vor allem nicht, von solchen, welche im Tod endeten.
Gesundheitstipps helfen auch nicht weiter
Danke, wir haben selber eine gute Internetsuchmaschine, viele Bibliotheken in der Umgebung, beratende Ärzte und könnten bei Bedarf fragen. Wir haben viele Bücher gewälzt und wissen bestens Bescheid, welche Nahrungsmittel und auch Medikamente in der Krebstherapie helfen. Jeder Mensch hat seine Spezialmitteli und absolut unfehlbaren Heilerfahrungen, welche er halt gern weitergeben möchte. Verständlich. Und „gut gemeint“. Nur – zuviel ist zuviel. Wir sind gar nicht fähig, alles auszuprobieren – können uns aber wie gesagt, selber informieren und hin- und her abwägen. Ungefragte Tipps sind wie kalte Waschlappen links und rechts um die Ohren geklatscht. Auch wenn es furchtbar hart klingen mag: es ist schwer genug – wir brauchen keine ungebetenen Ratschläge.
Horrorszenarien helfen auch nicht
Kaum zu glauben, gell? Aber es hilft mir tatsächlich nicht, wenn mir Leute sagen (heute grad zweimal, von verschiedenen Menschen erlebt und deshalb dieser Blogbeitrag): „bist du dir sicher, dass dein Mann „nur“ eine Sommergrippe hat? Vielleicht verschweigen die Ärzte euch was und sie lassen ihn zum Sterben nach Hause kommen? Oder dein Mann verschweigt dir, was die Ärzte gesagt haben?“ :-O
Schweigen und ignorieren, Kontakt abbrechen hilft auch nicht
Es gibt Menschen, mit denen ich vor der Krebsdiagnose meines Mannes befreundet war und welche sich aus eigener Betroffenheit nicht mehr bei uns melden. Ihnen geht die Krankheit zu nah, sie fühlen sich überfordert, so lautet die Erklärung. Andere besuchen ihn deswegen nicht im Spital, haben aber sonst noch Kontakt zu uns. Bei allem Verständnis für das „triggern“ – mir hilft es nicht, wenn liebe Mitmenschen mich ignorieren, meiden, als ob wir die Pest hätten. Es wäre schön, wenn sich der eine oder andere Mitmensch uns zuliebe überwinden könnte, wieder etwas mit zu fühlen. Das Leben teilt jedem ab und zu hart aus. Soll nun jeder deswegen nur noch für sich selber schauen? Auch Menschen, welche selber Schweres durch Krebserkrankungen erlebt haben, können ihren Mitmenschen durch Kleinigkeiten gut tun.
Was mir persönlich hilft sind
Gebetsunterstützungen, ein einfaches Nachfragen, wie es gehe – und zwar ist es schön, wenn dabei auch ich gefragt werde, wie es mir gehe mit der ganzen Situation – ein Zuhören, Verständnis signalisieren, Nacken-Massagen, praktische Angebote fürs Staubsaugen, Wäsche machen, Fahrdienste zum Spital und hoffentlich auch immer wieder nach Hause, Postkarten mit einem einfachen „Ich denke an euch“, Links zu Lobpreisliedern… Einmal hat eine Nachbarin einen selbstgebackenen Butterzopf in den Briefkasten gelegt. DAS ist Liebe und Unterstützung pur!
Wenn jemand einen Beinbruch hat, können die meisten Menschen damit umgehen. Ist jemand psychisch krank, wird es schon schwieriger, weil kaum jemand richtig damit umgehen kann – selbst Fachleute zeigen da kontoverses Verhalten, vielfach sehr wenig wissenschaftlich. Und jetzt kommt noch eine Krebserkrankung, wovor sehr viele Menschen nur „Horror“ sehen. Freilich, viele Krebserkrankungen führen über kurz oder etwas länger zum Tod (Bekannte, 50 jährig, gestorben wegen eines „Brustkrebses). Ich habe Beispiele in meinem Umfeld. Unser Gesundheitswesen allerdings kann mittlerweilen mit vielen Krebskrankheiten gut umgehen. Auch dafür habe ich Beispiele (Haarzellen-Leukämie, weitgehend geheilt) auch ein persönliches (auch praktisch geheilt – Glück gehabt).
Je nach dem, wie die erkrankte Person darauf reagiert ist der Umgang mit ihr einfacher oder eben schwieriger.
Aus meiner Sicht finde ich es gut, wenn man als Betroffener einfach mal respektiert wird. Wenn das direkte Umfeld einem mit Empathie begegnet und normalen, aber etwas zurückhaltender Umgang pflegt, ist schon viel in guter Richtung passiert. Als direkt Betroffener weiss man ganz klar, dass man die Angehörigen ernsthaft auf die Probe stellt und sie auch sehr belastet. Wenn man spürt, dass man dies darf und sich auch zurückziehen, wenn nötig gar etwas verkriechen kann, ist schon viel geholfen. Falls sich Kräfte entwickeln, kommt man von selbst aus dem „Bau“! Es gibt auch wenig sensible Personen, die trotz oder gerade wegen ihrer Erkrankung täglich ins Geschäft fahren gar über die Pensionierung hinaus. Es gibt keinen Grund, einen Freund in der Not sich selbst zu überlassen! Ein Besuch, auch noch so kurz ist immer gut. Wer das nicht kann und sich abwendet, zeigt seine wahre Freundschaft. Sie ist wohl eine von denen, auf die man gut verzichten kann.
In diesem Sinne sei dem Betroffenen Kraft gewünscht und dem Umfeld die Pflege eines angepassten Umgangs. Und: Lieber nur einen Freund, als 50 liederliche Kollegen. Sie lösen keine Probleme. Sie schaffen höchstens welche! Letztlich muss sich jeder selbst helfen – mit entsprechender Unterstützung gelingt es besser.
Danke für die wertvollen Gedanken.