„Wuff, waff, wuff!“ Bellend und schwanzwedelnd begrüsst Jambo, unser kleiner Hund die mir völlig unbekannte Frau. Jambo kennt die Frau, das steht ohne Zweifel fest. Menschen, welche er nicht kennt, werden von ihm strikte ignoriert. Wenn er hingegen einer ihm lieben Bezugsperson begegnet, reagiert er genauso, wie er es eben getan hat: er bellt, wedelt mit dem Schwanz und springt wie wild an der betreffenden Person hoch. Nur um sich ein paar Augenblicke später zu kratzen. Dieses Kratzen gehört unbedingt mit dazu und wir haben noch nicht herausgefunden, warum er dies bloss dann tut, wenn er einer Bezugsperson begegnet.

„Entschuldigen Sie, kennen Sie unseren Hund?“ frage ich die Frau. „Nein, wo denken Sie hin. Mag sein, dass wir uns schon mal auf dem Spazierweg begegnet sind, aber ich habe mich nicht bewusst auf ihn geachtet“, wehrt sie ab. Bilde ich es mir nur ein, oder überzieht eine Schamröte ihr Gesicht? Jambo lässt nur ungern von der Frau ab, als ich ihm befehle, weiter zu laufen.

Jambo gehört meiner Frau und sie ist es auch, welche meistens mit ihm Gassi geht. Heute aber musste ich am Nachmittag mal meine Überstunden abbauen und so entschloss ich mich zu diesem Spaziergang mit Jambo. Und obwohl ich mich nicht so häufig wie meine Frau mit Jambo abgebe, habe ich sein Verhalten in seinen 11 Lebensjahren doch auch kennengelernt. In seinem ganzen Hundeleben hat Jambo bloss mich, meine Frau und unsere drei längst erwachsenen Kinder auf diese Weise begrüsst wie eben. Früher hat er auch auf meinen Zwillingsbruder Marco so reagiert, dieser aber ist vor Jahren ausgewandert, nachdem er in der Schweiz in Konflikt mit dem Gesetz kam und wir haben den Kontakt zu ihm verloren.

„Wir haben heute eine Freundin von dir getroffen“, rufe ich meiner Frau Hanna beim Nachhause kommen zu. Doch die Personenbeschreibung: langes, blondes Haar, grossgewachsen, schlank, passt auf keine Freundin, meint meine Frau. Nein und eine Hundesitterin hätte sie auch nicht angestellt. Ich hätte mich bestimmt getäuscht darin, dass Jambo diese Passantin gekannt hätte, meint sie. Ich aber meine, eine Nervosität in ihrer Stimme auszumachen. Bin ich heute einfach nur übersensibel oder haben diese Frau und meine Ehefrau etwas zu verbergen?

Ich beschliesse, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich habe noch viele Überstunden abzubauen und so folgen Tage und Wochen, während denen ich zu einem Privatdetektiv werde. Ich schäme mich zwar ein bisschen für mein Misstrauen, aber meine Beobachtungen sind nicht umsonst. Ich finde heraus, dass die blonde, schlanke Frau tatsächlich als Hundesitterin für meine Frau arbeitet. Ungefähr dreimal in der Woche holt sie Jambo bei uns zuhause ab, spaziert eine Runde mit ihm und bringt ihn dann nach jeweils einer halben Stunde wieder zu uns nach Hause zurück. Meine Frau verlässt während dieser Zeit unsere Wohnung nicht. Es kommt kein Liebhaber zu ihr oder verlässt das Haus. Was aber tut sie während dieser Zeit? Und warum leugnet sie weiterhin hartnäckig die Tatsache, dass sie eine Hundesitterin angestellt hat? Was ist das Geheimnis um diese Frau? Doch als ich sie dann endlich auf einer ihrer Runden mit Jambo zur Rede stelle, reagiert sie abweisend. Sie sei mir keine Rechenschaft über diese Tätigkeit schuldig – meine Frau soll mir doch das Ganze erklären. Ich beschliesse, meine Frau mit meinen Beobachtungen zu konfrontieren, doch bevor ich dies tun kann, kommt sie mir zuvor. Eines Abends, als ich nach Hause komme, wartet eine Überraschung auf mich, in Form meines längst verschollen geglaubten Zwillingsbruders.

Und nun erklärt mir meine Frau endlich, dass sie die Zeit, während dem die Hundesitterin auf Jambo aufpasste, dazu benötigt hätte, meinen Zwillingsbruder ausfindig zu machen und für ihn die Reise zu uns zu organisieren. Sie hätte Stunden um Stunden am Computer und Telefon verbracht und das Ganze völlig geheim halten wollen vor mir, um mich zu überraschen. Fast hätte ich diese Überraschung verdorben.

An diesem Abend lachen und erzählen wir viel miteinander. Doch als ich von einem Toilettengang zum Esszimmer zurückkehre, höre ich gerade noch, wie meine Frau zu Marco raunt: „Uff! Zum Glück hat er nichts gemerkt und er hat uns die Geschichte, welche ich ihm aufgetischt habe, abgenommen. Nachdem er in letzter Zeit so misstrauisch wurde, musste ich mir doch was ausdenken. Es ist mir nicht schlecht geglückt – was meinst du?“ Lachend wirft sie sich Marco an den Hals.

Marco und meine Frau – ein Liebespaar? Das kann doch nicht wahr sein? Mittlerweile bin ich ein geübter, geduldiger Beobachter geworden und so führe ich meine Privatdetektivrecherchen weiter und komme tatsächlich hinter das Geheimnis der Hundesitterin. Dass mein Bruder Marco Dreck am Stecken hat, verwundert mich nicht sonderlich. Aber dass er meine Frau in das Geschäft des Handelns mit synthetischen Drogen hineinziehen konnte, finde ich nicht nur empörend, sondern auch sehr verwunderlich. Wie konnte sie sich nur auf sowas einlassen? War es Langeweile, Geldgier, Abenteuerlust oder vermochte sie meinem Bruder einfach nicht nein zu sagen? Perfid auch, wie das Trio unseren Jambo sozusagen missbrauchten – über die Robidogsäckchen. Jedes Mal, wenn er ein Häufchen hinterliess, schmuggelte die Hundesitterin eine Portion Drogen ins Säckchen hinein, das sie dann in den Robidogeimer legte. Die Drogen stellte mein Bruder in seinem Labor her. Ein nachfolgender Spaziergänger, welcher natürlich jedes Mal „zufällig“ zur Stelle war, sorgte dann für die „Feinverteilung“ der Ware. Das Trio konnte sein Handwerk schon fast ein Jahr lang erfolgreich ausüben, bevor Jambo, die Notwendigkeit des Überstundenabbaus und meine Neugier, mich dazu trieben, dem Geheimnis der geheimen Hundesitterin auf die Spur zu kommen.

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Diese Geschichte entstand, weil Karin Mayerhofer Dobler mich auf die Ausschreibung einer sogenannten „Clue Writing Blogparade“ aufmerksam gemacht hat und fand, ich als (mittlerweile leider ehemalige) Hundesitterin sei doch wie gemacht für diesen Titel. 😉