Die Frage «Warum lässt Gott das zu?» – beschäftigt die Menschen seit jeher. Ich persönlich dachte lange Zeit, dass es klar ist, dass Nichtchristen viel Unglück erleiden. Aber Christen? Ich ging davon aus, dass wir seine Lieblinge seien und deshalb lasse er es doch nicht zu, dass einem seiner Kinder etwas geschehe.

Heisst es nicht im Psalm 91:

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Frage: habt ihr euch noch nie an einem Stein gestossen? Ja, was ist denn nun mit der Verheissung, dass wir uns an keinem Stein stossen werden? Und was ist, wenn ein Christ eine tödliche Diagnose erhält? Zweifeln wir dann sofort an, ob er Gott von ganzem Herzen liebt und ihm vertraut? Eine schwierige Frage… Natürlich erzählen wir Menschen, welche Jesus noch nicht kennen, lieber sowas wie der Psalm 91 beschreibt, nämlich dass Gott uns bewahre und schütze vor allem Unheil. Es ist wenig populär, wenn wir ihnen von unseren Sorgen, Ängsten, tiefen Zweifeln und nicht geheilten Krankheitsgeschichten zu berichten. Darüber lässt sich nicht sosehr schwärmen, wie darüber, dass ein Leben als Christ Freude, Frieden, Erfüllung bringt und wir uns stets geborgen und beschützt vor allem Unglück wissen dürfen.  Wir «predigen» lieber uns selber und unseren Mitmenschen, dass Gott bewahrt und geheilt hat. Dass wir solches erleben, ist ja wirklich toll und ich freue mich über jede solche God Story. Nur könnte man daraus schliessen, dass unser allmächtiger Leibwächter uns stets davor bewahren würde, eine schlimme Krankheit zu bekommen, schlaflose Nächte zu erleben, unsere Arbeitsstelle zu verlieren, liebe Mitmenschen durch tragische Todesfälle zu verlieren oder peinliche Missgeschicke zu erleben und dadurch blöd dazustehen.

Ich lege eine Auslegung von Jens Kaldewey zu diesem Psalm auf, die ihr gerne ausleihen dürft. Das Pdf hier zum runterladen (klickmich). Auch er kommt zum Schluss, dass wir Christen ebenfalls tödliche Krankheiten und anderes Unglück erfahren können, dass es ganz einfach den Tatsachen entspricht. Er beschreibt die Bedrohungen so: «Die Pest, die im Finstern umherschleicht. Wen trifft sie als Nächstes? Wer „muss dran glauben“? Es sind die Gefahren, die vor der Tür lauern, die wir ahnen, auch wenn sie sich nicht deutlich zeigen und wir wissen nicht, wann es uns trifft. Es kann die Erkältungsgefahr sein, die Krebsgefahr, die Gefahr des Ausbruchs von Krankheiten, die schon immer in meiner Familie herumgeschlichen sind, aber auch der kontinuierliche Stellenabbau in der Firma, der „Raubtierkapitalismus“, der Terrorismus, der ja auch in unseren Breitengraden immer näher an uns herantritt, die immer noch steigenden Anforderungen meines Arbeitgebers. Oder anders formuliert: Die Bedrohung im Hintergrund.»

Auch die Geschichten in der Bibel erzählen davon, wie gottesfürchtige Menschen Schlimmes erleben. Erinnert ihr euch an die Geschichte von Josef? Ihm wurde wirklich massiv Böses angetan wurde vonseiten seiner Brüder. Josef, Hiob, Paulus und noch andere Menschen, von denen uns die Bibel erzählt, ja auch Jesus, sind Beispiele davon, dass Menschen, welche mit Gott in ihrem Lebensmittelpunkt leben, nicht vor allem Schweren bewahrt werden. Denkt nur daran, dass Paulus lange Gott gebeten hat, den «Pfahl», wie er ihn nennt, aus seinem Körper zu nehmen. Oder wie er Schiffbruch, Gefangennahme und anderes erlebt hat.

Im Ganzen gesehen, erzählt die Bibel nicht davon, dass wir Christen es im Leben einfacher haben würden, als diejenigen Menschen, welche ihm nicht nachfolgen. Ein Leben als Christ bedeutet nicht, dass ich es stets bequem habe.

Wir dürfen nicht vergessen, dass eine mögliche Ursache von Leid, der freie Wille ist.

Gott hat uns nicht als Marionetten, sondern als Menschen mit einem freien Willen geschaffen. Er steht uns normalerweise nicht im Weg, wenn wir diesen freien Willen einsetzen. Es mag Ausnahmen geben, aber meist lässt Gott uns tun und lassen, was wir wollen. Und so können uns und anderen schmerzhafte Konsequenzen aus falschen Handlungen entstehen. Er verhindert nicht, dass ich mich ins Unglück stürze, wenn ich das so entscheide. Es gibt Ausnahmen – und das sind dann eben Wunder! Er lässt es zu, dass ich zu stark aufs Gaspedal drücke und deswegen eine Busse kassiere. Nicht, weil Gott ein böser Gott wäre, sondern weil er mir den freien Willen lässt – mit allen Konsequenzen. So verhindert er auch nicht immer schlechte Noten, wenn ich nicht gelernt habe. Oder er nimmt mir mein Kopfweh vielleicht nicht weg, das ich nach zu grossen Alkoholgenuss verspüre. Wenn er das Kopfweh wegnimmt, was durchaus auch geschehen mag – dann ist es reine Gnade. Aber im Grunde genommen ist es ganz einfach die Konsequenz meines Verhaltens. Ich habe geerntet, was ich gesät habe, wie es die Bibel auch sagt. Nun habe nicht nur ich diesen freien Willen, sondern andere Mitmenschen auch. Schmerzen und andere Übel, können also unter anderem daher rühren, dass ich oder meine Mitmenschen den freien Willen auf ungesunde Weise gebrauchen.

Nicht alles Schmerzliche, das wir erleben, ist auf den freien Willen des Menschen zurück zu führen. Es gibt viele Unglücke, auch im Leben von Christen, deren Ursachen nicht zu erklären sind. Auch nicht damit, dass der betreffende Mensch gesündigt habe, nicht eine gute Beziehung zu Gott pflege oder unter einem Fluch stehe.

Wir sollten einfach manchmal nur zugeben, dass wir auch nicht weiterwissen. Es ist schön, wenn wir für andere beten, dass ihnen aus einer schwierigen Lebensphase herausgeholfen wird. Aber wir erwarten dann meist nach dem Amen ein sofortiges Eingreifen Gottes. Und wenn das ausbleibt? Ich denke, was uns Christen oft mangelt, ist Geduld und ein freundschaftliches Begleiten in Notzeiten. 

Wenn ich dem Fake glaube, dass Gott mich vor allem Übel bewahrt, weil er doch die pure Liebe und allmächtig ist, laufen wir Gefahr, zu verbittern Gott gegenüber. Ich habe im Sommer grad von vier christlichen US Musikern gelesen, welche sagen, dass sie ihren Glauben aufgegeben haben. Einer von ihnen, Marty Sampson, gab unter anderem als Begründung an: «Nur wenige Wunder passierten, und niemand spreche darüber. Die Bibel sei voller Widersprüche und niemand spreche darüber.» Ja, wenn wir glauben, dass es normal ist, dass Wunder geschehen, wie wir es in einem Lied singen, aber selber keine Wunder erleben, dann kann man schon an Gott verzweifeln. Die Bibel bietet solche Widersprüche, wie dieser Psalm 91 einerseits und unser ganz persönliches Erleben andererseits. Wenn man dann solche Spannungen, die sowas auslösen, nicht aussprechen darf, weil man vielleicht grad als «ungläubig» gilt, kann das mit der Zeit derart nagen an uns, dass man sich dem Glauben abwendet. Wenn wir dauernd gelehrt bekommen, dass Gott doch stets bewahre und dann etwas schief läuft in unserem Leben, sind wir in Gefahr, den gesamten Glauben hin zu schmeissen.

Ich habe auf das alles keine definitive, allumfassende Antwort. Ich weiss nur ganz tief innen mehrere Wahrheiten:

– dass Gott es immer gut mit uns meint.

– Und ich weiss auch, dass Gott uns einerseits vor Leid bewahren und es andererseits zulassen kann. Ohne dass wir immer verstehen, warum. Er bleibt Gott und wir sind in unserem Denken und Verstehen nicht immer fähig, alles einordnen zu können. Dabei dürfen wir Punkt 1 nicht vergessen: Gott meint es immer gut mit uns.

– Manchmal aber haben wir die Chance, etwas aus dem Leiden zu lernen. Kinder wissen das am besten. Sie fallen beim Velofahren-Lernen hie und da hin, holen sich ein aufgeschundenes Knie, geben aber nicht auf und lernen es immer besser. Manchmal holen wir uns in den Schwierigkeiten unseres Lebens aufgeschürfte Knie und weinen hie und da zutiefst. Aber Gott hilft uns immer wieder auf und ermutigt uns, nicht aufzugeben.

– Und Gott hat uns an mehreren Orten in der Bibel Versprechungen gegeben, im Schweren, das uns im Leben begegnet, bei zu stehen und es zum Besten dienen zu lassen!

Rö 8,28 Daran dürfen wir uns festhalten, auch wenn es rundum stürmt.

– Es gibt einen Spruch: Verwende die Steine, die dir das Leben in den Weg legt, dafür, dein Fundament zu stärken. Deshalb habe ich für jeden von euch einen Stein bereit, den ich als Erinnerung daran mitnehmen könnt.

– Der Teufel möchte uns an diesem Punkt unser Liebesverhältnis zu Gott zerstören. Mach es wie Hiob: halte an Gott fest, auch wenn es hart ist und du Gott nicht verstehst. Er ist und bleibt ein liebender Gott. Mir hilft in schwierigen Situationen das, was ich mal gehört habe: «Alles, was dir passiert, musste zuerst an Gott vorbei.»

– Etwas anderes, sehr Tröstliches: aller Mist, sämtliche Schmerzen und selbst der Tod, vermögen nicht, uns zu scheiden von der Liebe Gottes. Römer 8,35 und folgende. Ich mag zwar unter körperlichen Beschwerden leiden, aber der Glaube an Gott verleidet mir trotz Leiden nicht. Die Verbindung zu Gott hilft uns, indem er uns davor bewahrt, bitter zu werden.

– Er kann uns geistliche, seelische und körperliche Kraft geben, die Not zu ertragen.

– Und wir haben einen Gott, der gerade dann bei uns ist, wenn es am Dunkelsten ist. Es heisst im Hebräer 4,14, dass Jesus mit uns mitleidet. Leid zu erleben heisst nicht, von Gott im Stich gelassen zu sein. Leid ist nicht die Abwesenheit von Gott. Ja, Leid ist vielleicht die Abwesenheit von Schönheit, die Abwesenheit von Lebensfreude, die Abwesenheit von Glück und Zufriedenheit und Gesundheit. Aber Leid ist nicht die Abwesenheit von unserem Gott. Er ist so nahe bei uns, wie es kein Mensch sein kann. Evtl. von meinen Depressionen erzählen und meiner Frage an Gott, wo er denn sei….Gott vermag es, mitten in der Not zu trösten.

– Und natürlich vermag er auch, Umstände zum Guten zu verändern.

– Oder er kann mir einen kreativen Ausweg aus einer schwierigen Situation zeigen und mir den Mut dazu geben.

– Schwierigkeiten, ja selbst schwere Unglücke müssen nicht deine gesamte Zukunft bestimmen. Sie sind letztlich Durchgangsstationen auf unserem Lebensweg, nicht die Endstation.

– Aber manchmal heisst seine Hilfe auch, dass er einen Menschen zu sich in seine Welt holt, um ihn so völlig zu erretten.

Zusammenfassung 

Es ist FAKE, eine Lüge, dass einem ernsthaften Nachfolger Jesu kein Unglück geschehen dürfe, oder dass, falls dies doch geschieht, Sünde oder Unglauben vorliegen würde.

Die Wahrheit ist, dass das Leben nun mal schwierig sein kann und nicht immer ein Zuckerschlecken und rosarot ist. Und ja: dies trifft sogar auf uns Christen zu. Der Glaube macht es leichter, Probleme anzugehen, Lasten zu tragen, aber Gott befreit uns nicht von allen Problemen. Er stellt uns aber Kraftquelle zur Verfügung: In der Beziehung zu ihm, welche wir zum Bsp. Im Gebet, Lobpreis und Bibel lesen pflegen können – und auch in der Gemeinschaft miteinander liegt unsere Stärke.

Ich schliesse mit 1. Petrus 5, 10: «Der Gott aber, der euch seine Gnade auf jede erdenkliche Weise erfahren lässt und der euch durch Jesus Christus dazu berufen hat, an seiner ewigen Herrlichkeit teilzuhaben, auch wenn ihr jetzt für eine kurze Zeit leiden müsst – dieser Gott wird euch mit allem versehen, was ihr nötig habt: er wird euch im Glauben stärken, euch Kraft verleihen und eure Füsse auf festen Boden stellen».


Diese Predigt hielt ich am 17. November 19 in der Vineyard Luzern