Es ist schön, dass unsere Mitmenschen Anteil nehmen an der Krebsdiagnose meines Mannes. Viele bieten ihre Hilfe an. Noch wüsste ich nicht, worin sie helfen könnten – aber wer weiss. Bei Bedarf (vielleicht Fahrdienste?) komme ich gern darauf zurück. Mir helfen Einladungen zum Käffelen (Kaffee trinken) oder Spazieren gehen, um plaudern zu können. Kürzlich durfte ich bei einer guten Bekannten aufs Klangbett (Monochrom) liegen. Wie wohl mir das tat! Auch eine Ganzkörpermassage konnte ich kürzlich geniessen (ein Weihnachtsgeschenk meines Mannes) und das half, abzuschalten. Ja, ich weiss, es geht nicht um mich. Nicht ich bin betroffen von dieser fiesen Krankheit, aber doch irgendwie auch – als Angehörige. Ich höre von vielen Seiten: „nun musst du stark sein, du sollst ein Hoffnungsträger sein für deinen Mann.“ Lieb gemeint – aber es könnte mich unter Druck setzen. Tut es zum Glück nicht. Dennoch: etwas Wahres hat es – wenn ich hoffnungslos und am Boden zerstört bin, dann hilft das meinem Mann bestimmt nicht. Ich habe mir vorgenommen, während des kommenden halben Jahres (solange ist die Chemo geplant), immer wieder Oasen zum Auftanken für mich zu suchen. Gut getan haben mir natürlich auch die Ferien, welche wir Gott-sei-Dank letzte Woche als ganze Familie gemeinsam erleben durften. Wir konnten alle 5 so richtig Kraft tanken und den Zusammenhalt stärken, für die bestimmt harte, herausfordernde Zeit, welche uns bevorsteht.
Was mir überhaupt nicht hilft, sind die vielen tragischen Filmbeiträge und Medienberichte, welche über Todesfälle bei Krebserkrankten berichten. So wie am Samstag bei Happy Day. Es ist mir klar, dass eine solche Sendung auf Tränendrüsen drücken muss – es ist ihr Konzept. Und es war ja auch total schön, wie dieser Familie geholfen wurde, welche grad zwei Todesfälle aufgrund der Krebskrankheit zu beklagen hatten. Nur – mir vermittelt es die Botschaft: an Krebs stirbt man. Man kann es nicht überleben. Auch mein Mann war nach dieser Sendung „duch“ (bedrückt). Ich getraue mich fast nicht mehr, den Fernseher einzuschalten, denn achtet euch mal selber: soviele Filme handeln davon, wie jemand auf tragische Weise einen geliebten Mitmenschen durch Krebs verliert. Kürzlich wollten wir uns als Familie etwas Besonderes gönnen und besuchten deshalb das Theater Buochs. Wir hörten, die „Kaländer Girls“ seien dieses Jahr eine besonders gelungene Inszenierung. Mein Mann, unser Sohn und ich aber standen in der Pause bloss bedrückt herum und fuhren nach dem Theaterabend schweigend heim. Wir wussten zwar, dass das Stück einen Krebstodesfall zum Inhalt hat. Wir meinten aber, das Stück starte mit dem Tod des Ehmanns und dann sei es nur noch lustig. Dass der tragische Zerfall des Erkrankten derart eindrücklich, emotional dargestellt wird und vor allem über so eine lange Strecke, das wussten wir nicht. Für uns Betroffene war es zu hart. Klar gab es auch lustige Szenen, aber das Dramatische und Tieftraurige der Krebserkrankung und des Todesfalles überwog. Wir wünschten uns, wir hätten diesen Abend zuhause verbracht bei einem lustigen Gesellschaftsspiel. Ich hätte es geschätzt im Vorfeld zu hören: „sei dir bewusst, der Kampf mit der Krebserkrankung, das langsame Sterben und der Tod, nehmen einen grossen Teil des Theaterstücks ein.“ Stattdessen hörten wir: „geht doch dorthin, es wird euch gut tun, einen Abend lang lachen zu können. Die Schauspieler sind zum Schiessen lustig, waren noch nie so gut…“ Ich glaube, sovieles ist Nichtbetroffenen überhaupt nicht bewusst und deshalb hier diese Zeilen. Gut gemeint, aber es war nicht hilfreich.
Glaubt mir, es hilft mir auch nicht, wenn ihr mir von Bekannten, Verwandten erzählt, welche ebenfalls an Krebs gestorben sind. Vielleicht sehe ich so stark aus, dass man meint, ich könne nun noch ausführliche Schilderungen ertragen von Verlusten, welche ihr erlitten habt. Aber ich bin es nicht. Ich ertrage es ihm Moment nicht. Meine Haut ist dünnhäutig. Wenn ihr mir einen Gefallen tun wollt, dann erzählt von Menschen, welche durch die Chemo vom Krebs geheilt wurden. Denn ich höre wirklich fast ausschliesslich, dass der Krebs über das Leben siegte. Eine einzige Blognachricht erreichte mich mit einer positiven, mutmachenden Erfahrungsgeschichte. Danke Soja Koala. „Ja aber Chemo“, sagt man uns, „das ist dann nicht das Allerweltheilmittel. Dein Mann sollte das Produkt XY nehmen. Keines ist so gut wie das und es hilft und heilt wirklich von Krebs. Und eine Ernährungsumstellung muss auch zwingend sein.“ Lasst euch sagen: wenn wir einen Rat brauchen, dann fragen wir euch oder Google. Die vielen Ratschläge verunsichern uns und das Abklären, ob das Produkt XY nicht doch helfen könnte oder lieber das andere, welches auch als das einzig wahre angepriesen wird, nämlich das YZ, nicht doch wirksamer wäre, zerrt an Kraft und ist aufwändig.
Wir sind gut abgedeckt an ärztlicher Betreuung. Da ist unser gemeinsamer Hausarzt, dann der Facharzt am Kantonsspital Luzern und zusätzlich sind wir bei Paramed. Mein Mann wird hochwertige Vitamine und Mineralstoffe erhalten, zur Unterstützung der Chemotherapie. Ob wir dies oder jenes tun oder anderes lassen – wir sind der festen Überzeugung, dass unsere Leben in Gottes Hand sind. Wir lassen uns von IHM leiten – und ER könnte sofort heilen – auch ohne Chemo und all das. Wir nehmen in Anspruch, was an ärztlicher Hilfe da ist. Aber ich glaube kaum, dass Gott so fies wäre, meinen Mann zu sich zu nehmen, nur weil wir keine Ernährungsumstellung vorgenommen hätten oder mein Mann das eine, einzig wirksame Präparat einzunehmen verpasste.
Schön sind Zeilen der Anteilnahme, welche uns über Whatsapp, Facebook, Twitter oder per Post erreichen. Zum Beispiel das hier:
Jede Zeile zeigt, dass sich ein Mensch, der doch bestimmt selber genügend herausgefordert ist mit seinem persönlichen Leben, sich Zeit genommen hat und sich überlegt hat, wie er uns ermutigen könnte. Telefonate mag ich nach wie vor nicht. Danke fürs Verständnis. 😉 Was mir immer ganz speziell gut tut, ist, wenn jemand ganz einfach bei einer persönlichen Begegnung fragt: „Wie geht es dir in dieser Situation – erzähl mal.“ Und was mir persönlich auch gut tut, sind Links zu ermutigenden Lobpreisliedern und Gebetsunterstützungen.
Sowas zum Beispiel, tut mir gut:
Aber auf derselben Seite stand ein Zitat, dass es Sünde sei und sich okkult belaste, wenn man Homöopathie verwende. Dazu möchte ich sagen, dass ich es mit der Meinung der Vereinigung Christlicher Heilpraktiker halte.
Auf einer anderen Facebookseite steht, dass es Sünde sei, wenn man jammere. Also meine Mitchristen ermutigen mich manchmal und handkehrum können sie einem das Leben schwer machen. 😉
Vor ein paar Tagen überfielen mich plötzlich Ängste, weil ich statistische Zahlen zur Komplettheilung negativ auswertete. Ich fragte meinen Hausarzt, der mich seit 30 Jahren rundum betreut und im selben Tennisclub wie mein Mann und daher mit ihm per Du ist. Hier ist seine so wohltuende Antwort:
Danke, dass ihr uns nicht vergesst in all euren Freuden des Alltags. Am 6. März startet nun die Chemo für meinen Mann….
Ich bin schockiert, dass Menschen euch erzählen, dass sie jemanden wegen Krebs verloren haben; das hilft nun wirklich in keinster Weise!
Ich sage euch also hiermit, dass nicht nur ich meine Krankheit überlebt habe, sondern auch der Onkel meines Vaters, meine beste Freundin, ihre Schwiegermutter, deren Mutter, meine Arbeitskollegin, mehrere Dutzend Jugendliche, die ich während meiner Nachsorge kennenlernen durfte sowie viele, viele Patienten, die ich selber behandelt habe. Nehmt uns als Orientierung statt derjenigen, die es nicht geschafft haben!
Lasst euch nicht verunsichern von all den guten Tipps; ihr wisst am besten, was sich richtig anfühlt.
Liebe Grüße
Silja (Soja Koala)
Oh wow, liebe Soja, DAS tut ja gut! Ich habe noch nie gehört, dass jemand in seinem Umfeld soviele geheilte Krebspatienten erlebt hat. So schön.
Nachtrag: ich glaube nicht, dass die Menschen es „böse“ meinen mit uns, uns deprimieren wollen, wenn sie uns von verstorbenen Krebspatienten erzählen. Ich vermute, erstens denken sie einfach nicht nach, wie so eine Schilderung bei mir ankommen könnte und dann wollen sie wohl damit aussagen, dass sie wissen, wie schwer diese Zeit ist, dass sie das nachfühlen können. Und es kann sein, dass ich stärker wirke, als ich es bin. Ich lache viel und gern und auch in dieser Zeit… Vielleicht meinen solche Mitmenschen, sie könnten nun ihre Trauer bei mir abladen, weil ich sie verstehen könne… Ich habe schon ein offenes Ohr für die Nöte meiner Mitmenschen. Aber was ICH momentan nötig habe, sind „Erfolgsgeschichten“ mit der Chemo und Krebs. Ich glaube, soweit denken diese Menschen dann im Moment nicht. Ein bisschen aufzurütteln im Umgang mit unseren Mitmenschen – wie Gesprochenes beim anderen ankommen könnte – das ist ein Ziel meiner Zeilen hier.
Liebe Regula,
ich wünsche Euch viel Kraft und dass alles gut werden möge. Wenn Ihr wie Du schreibst Kraft und Hoffnung aus dem Gebet und aus Eurem Glauben schöpfen könnt, ist das sehr viel. Ihr habt etwas, was Euch stärkt und hilft. Wenn dann noch Ärzte dazu kommen, denen Ihr vertraut, habt Ihr schon viel gewonnen.
Ich kann an Erfahrungen zum Glück gar nichts zu diesem Thema beisteuern, ob Gutes oder Schlechtes. Deshalb bleibt mir nur, Euch zu wünschen, dass Ihr diese schwere Zeit übersteht. Außerdem finde ich es gut, dass Du dabei Dich selbst nicht aus den Augen verlierst. Nein, es geht nicht um Deine Gesundheit, aber Du kannst Deinem Mann nur helfen und ihn unterstützen, wenn Du Dich selbst nicht aufgibst. Deshalb nimmt Dir weiter kleine Auszeiten, gemeinsam oder allein.
Ich denke an Dich.
Susanne
Danke, liebe Susanne. Gerade eben habe ich wieder grosse Angst bekommen. Ich habe mir die Zahlen nochmals angeschaut vom Facharzt. Dort steht, was ich bisher übersehen habe, dass von denen, welche auf die Chemo ansprechen, 40 Prozent über Jahre hinweg als „geheilt“ gelten. Aber 40 Prozent sind nicht so viel. Oder wie siehst du das?
Liebe Regula, ich weiß es nicht, ob es viel oder wenig ist. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass man mehr Antworten bekommt, je mehr Fragen man stellt, un d sei es nur bei Google. Wenn der Facharzt Zahlen nennt, dann frag ihn, was Dich bewegt, wie diese Zahlen zu bewerten sind. Vor allem aber: Lass Dich nicht verrückt machen. Vielleicht ist es besser, einen Schritt nach dem anderen zu tun, für Dich, für Deinen Mann, hin zur Heilung. Aber was weiß ich schon?
Danke, Susanne. Ja, ich habe meinem Hausarzt, der mich seit 30 Jahren rundum betreut, dieselbe Frage gestellt. Ich habe den Artikel bearbeitet und seine Antwort reingehängt.
Das mit dem „Schritt für Schritt“ war vor ein paar Wochen ein Eindruck, den mir jemand im Gebet mitgeteilt hat. Ich solle Schritt für Schritt durch diese Zeit gehen – zusammen mit Gott. Er würde mich/uns hindurchführen…
Krebs bedeutet eine schwere Prüfung für den Betroffenen selbst und seine Angegörigen zusätzlich. Es gibt auch berechtigte Hoffnung! Ich habe Bekannte, die davon profitierten, dass wir in der Schweiz ein gutes (und teures) Gesundheitswesen haben. Einige „hoffnungslose Fälle“ sind immer noch unter uns und sie haben es schätzen gelernt. Einige Beispiele: Ein sehr guter Bekannter litt an einer Haarzellenleukemie. Ausgebrochen ist die Angelegenheit relativ schnell (innert Tagen), dann hing sein Leben kurzfristig an einem Faden. Ich sah ihn im Spital, als er nicht ansprechbar war und dahin siechte. Er hat es überstanden und heute geht es ihm soweit soweit gut. Es gibt zwar einige Irritationen im Gefühl an den Extremitäten, doch dies ist nichgts gegen das, was er vorher zu ertragen hatte. Alter. 65+
Eine Bekannte ist an Leukemie erkrankt. Erst wollte sie sich dem Schicksal ergeben. Als Witwe glaubte sie, ihr Leben sei erfüllt und darum nehme sie die Prüfung an. Nach mehreren Gesprächen und mit dem Lebenswillen in ihr, den sie eigentlich verdrängt hatte, begab sie sich in de Hände der „Weisskittel“. Sie hat die erste Chemo bereits hinter sich. Und sie hat diese gut gemeistert. Sie entwickelt wieder Aktivitäten (sie war immer aktiv!). Sie ist umgezogen, um in der Nähe ihrer Tochter zu wohnen. Sie ist auch bereit, ihr Haus zu veräussern, damit der Neuanfang mit einer völlig neuen Umgebung gelingen kann. Zur Zeit fühlt sie sich viel besser als erwartet. Alter 75 +.
Jener Bekannte, der vom Krebs mehfach und fast gleichzeitig angegriffen wurde (Lunge, Leber, Blase) ist täglich unterwegs und er nimmt noch am Geschehen in seinem Betrieb teil. Zwar lebt er mit einem künstlichen Ausgang, aber er lebt. Er gibt nicht auf! Er sagt von sich, es gehe ihm den Umständen entsprechend gut. Er könne noch arbeiten und seinem Hobby frönen. Alter bald 80!
Und da tauchte an einen Veterannetreffen ein lange nicht mehr gesehener Kollege auf. Es gehe ihm gut und den Lungenkrebs hättenn er und die Ärzte im Griff…. Alter 75+.
Es gibt noch weitere Beispiele, die die Verzweiflung überwunden haben und die es gemeinsam mit den Medizinern geschafft haben, “ eine Runde“ weiter zu kommen. Ich kenne auch Beispiele die es nicht geschafft haben, trotz starkem Lebenswillen und sehr guter medizinischer Betreuung (Zungenbasiskrebs, ALS, …).
Als Aussenstehender lässt es sich leicht in die Tasten greifen. So könnte dieser Kommentar aufgefasst werden. Ich schreibe nicht, um dem Sensationshunger zu frönen oder missionarisch zu wirken. Als Betroffener weiss ich um die Ängste, die bis fast zur Verzweiflung gehen und die auch suidizidale Gedanken entstehen lassen. Doch, die Realität ist das Mass aller Dinge! Die besagt, dass die Überlebensschancen existieren, weil das Gesundheitswesen heute Vieles kann. Sie besagt auch, dass es nicht den Wünschen entsprechend verlaufen kann. Daher gilt umso mehr:
‚Yesterday is history. Tomorrow is a mystery. Today is a gift.
Nehmen wir das „Jetzt und Heute“ als Geschenk, Tag für Tag. Dies sei das Motto für den Betroffenen und seine Angehörigen.
Danke für diese ermutigenden, empathischen Zeilen.
Hat dies auf Gmerkigs rebloggt und kommentierte:
Vor fast genau einem Jahr begann die halbjährige Chemotherapie bei meinem Mann. Nicht jede menschliche Reaktion war hilfreich. Es war ein anstrengendes, herausforderndes Jahr. Heute sind die Blutwerte meines Mannes stabil gut. Nur die weissen Blutkörperchen sollten sich noch mehr bilden. Das braucht weiterhin Geduld und bedeutet, dass er immer noch infektionsanfälliger ist.
Am meisten enttäuscht haben mich im letzten Jahr Menschen, welche sich komplett von mir zurückgezogen haben. Keine Likes mehr auf Social Media, keine Kommentare, kein Nachfragen, wie es gehe…