Vor rund 27 Jahren, kurz nach unserer Heirat, wagten sich mein Mann und ich an Veloferien im Jura. Wir fuhren mitsamt Kleidung, Kochutensilien, Zelt, Schlafsack, aber ohne SchlafmÀtteli (!) auf den GepÀcktrÀgern von Ort zu Ort. Teilweise wars hart, unbequem und kalt, aber ein wahres Abenteuer!
Heutzutage mag ich es nicht mehr gar so wild und einfach, sondern schĂ€tze den Komfort eines gemĂŒtlichen Zuhauses, zu dem man jeden Tag zurĂŒckkehren kann und wir wollten auch mal bequemere Velos (FahrrĂ€der) ausprobieren, sprich E-Bikes. Obwohl fĂŒr E-Bikes mit geringer UnterstĂŒtzung kein Töffliausweis (Mofa) nötig wĂ€re, warteten wir mit dem Mieten von E-Bikes ab, bis unser Sohn die TöffliprĂŒfung erfolgreich absolviert hatte. Dass wir solch spezielle Bikes mieteten, war einerseits fĂŒr unseren Sohn eine Belohnung fĂŒr die bestandene TöffliprĂŒfung und fĂŒr uns alle etwas Aussergewöhnliches, das wir uns einfach mal gönnen wollten und wie es sich herausstellte, auch etwas sehr Praktisches, denn wir logierten doch etwas oberhalb des Bodensees. đ Der Wunsch, in der Bodenseeregion Veloferien zu verbringen, hegten mein Mann und ich schon seit vielen Jahren. Wir kennen ein paar Leute, welche begeistert, ja gar euphorisch davon erzĂ€hlten. Und so mieteten wir die Bikes bereits von zuhause aus. Als wir die Wohnung online reservierten, merkten wir, dass sie sich zufĂ€lligerweise grad im Nachbardorf meines Patenkindes befindet, welche im Juli diesen Jahres heiratete und nach Deutschland auswanderte. Dass wir uns fĂŒr eine Wohnung auf der deutschen Bodenseeseite entschieden, war eindeutig eine Preisfrage. Auf der Schweizerseite sind die Ferienwohnungen allesamt viel teurer. Und auch das AuswĂ€rtsessen wĂ€re auf Schweizerseite nicht so hĂ€ufig möglich gewesen, wie wir es in Deutschland geniessen konnten.
Samstag, 8. August 15
Bereits in der Nacht plagen mich Kopfschmerzen. Am Morgen haben sie sich zu einer veritablen MigrĂ€ne ausgewachsen, wie ich sie zuletzt vor einem Jahr in DĂ€nemark erlebte. Mir ist ĂŒbel, der Kopf schmerzt – ich möchte mich nicht auf Reisen begeben, sondern im Bett verkriechen. Dies tue ich denn auch fĂŒr kurze Zeit. Mein Mann und Sohnemann besorgen Medis und nach erstaunlich kurzer Zeit ist es so, wie wenn das Ganze ein Spuk gewesen wĂ€re. Gegen Mittag bin ich reisebereit!
Unterwegs machen wir einen Halt und besichtigen das Schloss Arenenberg. Danke Zora, fĂŒr den Tipp, den du uns schon vor einiger Zeit gegeben hast – es hat sich wirklich gelohnt.
Ein erstes Mal baden wir im Bodensee und kaufen ein fĂŒr die Woche.
Die Ferienwohnung in Weissensberg gefĂ€llt uns auf Anhieb. Lustig, dass das Treppenhaus fast identisch ist mit demjenigen bei uns zuhause und auch sonst Àhneln sich die Baustile. Die Wohnung ist ruhig gelegen, einfach aber gerĂ€umig, gemĂŒtlich und mit Geschmack eingerichtet, die KĂŒche praktisch. Super, dass das Benutzen der Waschmaschine im Mietpreis inbegriffen ist. Es stellt sich allerdings heraus, dass das Ratanbett unseres Sohnes nicht mehr sehr solide ist. Im Verlauf der Woche gab es mal unter ihm nach und er landete auf dem Boden. :-O Und meine Matratze stellt sich in der Nacht als viel zu hart heraus. Ebenfalls schade, dass im einen Schlafzimmer eine Verdunkelung fehlt. Wir logieren direkt unter dem Dach und wir können die Hitze nicht aus der Wohnung bannen.
Sonntag, 9. AugustÂ
In der direkten Nachbarschaft der Ferienwohnung befindet sich eine Freie Christengemeinde. Wir holen mein Patenkind zum Gottesdienst ab und verbringen mit ihr, ihrem frischgebackenen Ehemann đ und der HĂŒndin Stella einen Badenachmittag am Bodensee.
Schön wie Gott es eingerichtet hat, dass wir so nahe bei meinem Gottenkind logieren.
Montag, 10. August
Wir wollen unsere Mietvelos per Omnibus beim Camping abholen. Doch der Busschauffeur lacht uns aus: „Das ist doch jetzt ein Witz? Ihr wollt insgesamt 6 Euro fĂŒrs Busfahren ausgeben, wo ihr doch fĂŒr den Weg zu Fuss bloss etwa eine Viertelstunde habt?“ Wir – in Sportkleidung – lassen uns natĂŒrlich diesen Spott nicht gefallen – und gehen in der grössten Hitze zu Fuss. đ
Und schon wagen wir uns an unsere erste Velotour: Weissensberg – Lindau – Bregenz – Rheineck. Per Schiff nach Rorschach, weiter nach Lindau und wieder mit dem Velo zurĂŒck nach Weissensberg.
Bereits sind wir froh um unseren E-Bike-Antrieb, denn die Sonne brennt erbarmungslos auf uns hinab und gleichzeitig geht ein Gegenwind. Doch die Radelstrecke ist sehr abwechslungsreich.
Auf Facebook schreibe ich:
In drei Stunden 52 km geradelt.
Dienstag, 11. August
Mein Facebookeintrag dieses Tages lautet:
Heute auch wieder 52 km geradelt in 2.5 std. reine fahrzeit. Dazwischen grosszĂŒgige pausen mit besichtigung der sehr hĂŒbschen altstadt wangen. Und schwimmbadbesuch.
â hier: Wangen Altstad
Unsere heutige Tagesstrecke: Weissensberg – Wangen – Neukirch – Langnau – Bechtersweiler – Oberreitnau – Weissensberg
Die Landschaft kommt mir vor wie unser Emmental: es geht hoch und rasant runter, dann sofort wieder steil hinauf…. Wie froh sind wir, dass uns bei den Bergfahrten „jemand von hinten schiebt“ – jedenfalls vom GefĂŒhl her. Ein E-ngel. đ
Mittwoch, 12. August
Zuerst fahren wir von Weissensberg nach Lindau. Wir verladen unsere E-Bikes in Lindau, beim schönen, historischen Bahnhof auf der Insel auf den Zug und staunen erstmals darĂŒber, wie schlecht die deutsche Bahn den RĂ€dertransport organisiert. Es sind soviele Radfahrer rund um den Bodensee unterwegs – aber der Zustieg in den Waggon erfolgt ĂŒber etwa 5 Treppen (!) und drin sind keine VelostĂ€nder vorhanden. Per Velo fahren wir ab Langenarden dem Bodenseeufer entlang zurĂŒck nach Lindau, baden unterwegs in einem Gratisfreibad. Direkt am See entlang fahren sehr viele Menschen Rad und ebensoviele sind zu Fuss unterwegs. Dazu kommen Autofahrer, welche manchmal nicht wissen, was sie genau tun wollen. So ist das Velofahren direkt dem flachen Ufer entlang zwar von der Landschaft her schön, aber gestern hat es uns im hĂŒgeligen Gebiet, weitab der Tourismusströme besser gefallen. 30 Kilometer sind wir in 1.5 Std. reiner Fahrzeit geradelt. Obwohl das E-Bike eine UnterstĂŒtzung gibt, geht es doch nicht ohne strampeln. Ich bin stolz auf mich, jeden Tag Sport zu machen und es macht dazu genausoviel Freude, wie Skifahren. Sportmachen soll doch auch Spass bereiten, oder? Wenn ich manchmal ohne E-UnterstĂŒtzung fahre, merke ich, wieviel anstrengender es wĂ€re, trotzdem es gute RĂ€der sind. Ich weiss nicht, ob ich zuhause mein „normales“ Velo noch schĂ€tze. đ
Am Abend besuchen wir unseren guten Bekannten Joe Stalder im Planetarium und Sternwarte Kreuzlingen. Wir erhalten viele interessante Infos zu den Perseiden und können die Sonne mit Sonnenflecken durch verschiedene Instrumente beobachten. In der NĂ€he unserer Ferienwohnung, auf einer dunklen Wiese lagern wir drei uns dann, wie von Joe vorgeschlagen, auf einer Picknickdecke und betrachten den Sternenhimmel. Tobias erblickt drei Sternschnuppen, wĂ€hrenddem Andy und ich bloss eine sehen. Diese ist dafĂŒr ein besonders schöner Anblick. Ein langer, hell strahlender Schweiff – sehr beeindruckend. Und doch bin ich etwas enttĂ€uscht darĂŒber, nicht einen wirklichen Sternschnuppenregen oder „Schwarm“ erlebt zu haben.
Donnerstag, 13. August
Unsere heutige Strecke: Weissensberg – Oberreitnau – Bechtersweiler (wie vorgestern), vorbei an vielen Hopfenpflanzungen weiter nach Tettnang (hĂŒbsches StĂ€dtchen), ĂŒber Friedrichshafen zurĂŒck nach Weissensberg. In Friedrichshafen wollten wir zuerst das Schiff zurĂŒck nach Lindau nehmen, haben aber den Fahrplan nicht genau studiert. Deshalb radeln wir weiter als ursprĂŒnglich geplant und ich muss schauen, dass der Akku meines Rades ausreicht. Weil ich befĂŒrchte, am Ende der Tour den Aufstieg nach Weissensberg nicht mehr zu schaffen, tauschen Andy und ich sogar zeitweilig unsere RĂ€der, denn sein Fahrrad hat noch mehr Akku als meines. Ganz knapp reichen unsere Akkus aus und heute kommen wir auf 63.5 Kilometer in 3.25 Std. Ich bin erschöpft. Mehr wĂ€re nicht dringelegen fĂŒr mich.
Kurz können wir in der Ferienwohnung duschen und dann sind wir zum Abendessen bei meinem Gottenkind, ihrem Mann und ihren Schwiegereltern eingeladen, welche wir am Hochzeit kennengelernt haben. Wir verbringen einen gemĂŒtlichen, unterhaltsamen Abend mit all diesen herzlichen Menschen.
Bisher erlebten wir jeden Tag heisses Sommerwetter und nebst dem Velofahren badeten wir tÀglich im Bodensee.
Freitag, 14. August
Nochmals verladen wir unsere Velos in Lindau am Bahnhof. In Ăberlingen verlassen wir den Zug und radeln zurĂŒck nach Friedrichshafen. Dort besteigen wir wiederum den Zug nach Lindau und radeln zurĂŒck nach Weissensberg. Soweit zur Strecke. Doch lest, was ich zum heutigen Tag auf Facebook schrieb:
Heute hat es mich „geschnĂ€tzelt“. Nasse fahrbahn kombiniert mit einer schrĂ€gen pflastersteinbordkante, ĂŒber die wir mit sehr reduziertem tempo fuhren – und ich lag am boden u. schlug hart mit kopf und ganzer rechter seite auf. FĂŒr solche fĂ€lle trĂ€gt man ja einen velohelm. Den muss ich nach diesem harten schlag entsorgen. Ich glaube, es ist keine hirnerschĂŒtterung. Bloss das knie ist blutig, das rechte bein voller prellungen und das rechte handgelenk schmerzt, aber ich kann alles bewegen, nichts gebrochen.
Ansonsten: trotz teilw. Regenwetter in genau 3 std. 49.49 km. Morgen gehts wieder heimwĂ€rts. Meine erlebnisse werde ich mit fotos verbloggen.â
verletzt.
Heute ist Dienstag, 18. August und mein Handgelenk schmerzt. Ich war gestern bei einer Ărztin, welche im Röntgenbild keinen Bruch erkennen konnte. Doch ein Kahnbeinbruch kann nicht immer im Röntgenbild festgestellt werden und deswegen werde ich den Ă€rztlichen Rat sehr ernst nehmen und mich wieder melden, sollte ich in einer Woche keine Besserung der Schmerzen feststellen können. In so einem Fall wĂ€re ein MRI angebracht. Schade, passierte mir grad am letzten Ferientag so etwas. đ Beim Skifahren habe ich schon heftigere StĂŒrze erlebt – aber man fĂ€llt einfach viel sanfter in den Schnee als aufs Kopfsteinpflaster. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass ich meinen Kopf schon jemals so hart aufgeschlagen hĂ€tte. :-O
Samstag, 15. August
Auf der Heimfahrt in Friedrichshafen, decken wir uns im Kaufland noch ein mit Artikeln, welche in der Schweiz viel teurer sind und Ă€rgern uns ĂŒber die dortige komplizierte Handhabung mit der MehrwertsteuerrĂŒckvergĂŒtung, weil Friedrichshafen nicht grenznah sein. Hallo? In Lörrach geschieht diese Abwicklung völlig problemlos – in ein und derselben Warenhauskette.
Bevor wir heimfahren, geniessen wir einen mehrstĂŒndigen Aufenthalt im Zeppelinsmuseum Friedrichshafen. Ich hĂ€tte nicht vermutet, dass es derart interessant sein wĂŒrde und staune auch ĂŒber die anderen Besucher. Denn normalerweise sind wir als Familie immer diejenigen, welche in allen Museen die Exponate am ausfĂŒhrlichsten betrachten – aber im Zeppelinsmuseum haben soviele Leute alles ganz genau studiert. đ
Fazit unserer Veloferien: es waren interessante, sportliche Tage, trotz E-UnterstĂŒtzung leisteten wir einiges. Die Gegend am Bodenseeufer ist zwar schön flach, aber von Touristen ĂŒberlaufen. Uns haben die Gebiete etwas abseits der Uferwege mehr gefallen, aber sie sind halt hĂŒgelig. Die Radwege sind leider nicht immer sehr gut ausgeschildert. Die Schilder sind klein und können wĂ€hrend des Fahrens nicht so schnell erfasst werden. Grössere Schilder wĂ€ren von Vorteil. Zudem sind sie manchmal verdeckt von GebĂŒsch etc. welches wieder mal zurĂŒckgeschnitten werden sollte, etc. Wir mussten hie und da unsere Karte konsultieren oder Passanten nach dem Weg fragen. Zum GlĂŒck waren die Deutschen sehr hilfsbereit – manche kamen sogar von sich her auf uns zu, wenn sie uns irgendwo ratlos herumstehend beobachteten. Wahrscheinlich denken die Tourismusverantwortlichen des Bodensees, dass heutzutage eh jeder die Karten auf seinem Handy habe. Hatten wir auch – nur spielte der Handyakku manchmal nicht mit. đ Von der Natur her, verstehe ich die BegeisterungserzĂ€hlungen meiner Bekannten nicht ganz. Die VierwaldstĂ€tterseeregion ist genauso schön, wenn nicht schöner, da sie nicht derart von Touristen ĂŒberschwemmt ist. đ Aber was mich wieder zurĂŒck in diese Region drĂ€ngt, sind die vielen SehenswĂŒrdigkeiten, welche wir allein in einer Woche nicht sehen konnten. Es gĂ€be soviele interessante Museen, Schlösser, StĂ€dtchen zu besichtigen…. Also, ich kann mir gut vorstellen, dass wir wieder mal in der Region Ferien machen werden – nicht zuletzt weil mein Patenkind, ihr Mann und ihre lieben Schwiegereltern dort wohnen. đ <3
P.S. Noch mehr Fotos auf Facebook (nur fĂŒr meine Facebookfreunde einsehbar).
Nachtrag: Mittlerweile fĂŒhrte ich ĂŒber Facebook einen Dialog mit einem Mitarbeiter der Deutschen Bahn. Fazit: es muss bei den DB immer damit gerechnet werden, dass RĂ€der treppab- und treppauf getragen werden mĂŒssen. NIederflureinstiege sind kein Ziel der DB. Wahrscheinlich bin ich diesbezĂŒglich einfach verwöhnt von unseren Postautos, der Zentralbahn und der SBB. Ok – dafĂŒr muss man auch erwĂ€hnen, dass auf meiner Heimstrecke Stans-Emmetten kein Velotransport bei Postauto möglich ist. đ
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