Ich höre Lachen vor unserer Wohnung. Menschen plaudern miteinander. Auch auf Twitter und Facebook tauschen sie sich aus, über Trump, Montage, Husten, den vergangenen Tatort und über die Basler Fasnacht. Die Welt dreht sich ganz normal weiter. Die Leute gehen ihrer Arbeit nach, kochen, putzen, fahren Auto oder ÖV, hören Musik – leben und lieben ihr Leben, ihre Beziehungen. Dabei sollte sie eigentlich still stehen, die Welt. Sie sollte sich aufhören zu drehen, langsam knirschend zum Stillstand kommen und mit mir zusammen seufzen.

Mein Mann beginnt heute die Chemo. Bisher schaffte ich es manchmal, die schlechten Blutwerte, welche ja nur auf Papier da stehen, zu ignorieren. Was haben uns schon Blutwerte zu sagen, wenn mein Mann zwar abnimmt und sich von einer Erkältung nicht erholt, aber dennoch noch Ski fahren und in die Turnstunde fahren mag? Wenn er weiterhin liebevoll und fürsorglich für mich und seine Familie da ist und wir keinerlei Veränderungen feststellen, Gott-sei-Dank? Aber der Therapiebeginn stellt uns, wie jeder vergangene Arztbesuch die Dramatik und den Schweregrad der Krankheit vor Augen. Einerseits habe ich das Gefühl: so – endlich geht was vorwärts und er kann gesund werden. Andererseits heisst “Chemo” nicht, dass da einfach Wasser durch seine Adern gelassen wird. Eine unbehandelte Leukämie und eine, bei der alle Therapiemassnahmen versagen, ist todbringend.

Manchmal lag ich in der letzten Zeit am Boden – noch bevor die Behandlung begann. Mir verschlug die Diagnose buchstäblich den Atem. Ich ringe um Luft, wenn ich spazieren gehe und fühle mich auch sonst einfach nur erschlagen. Innerhalb einer Woche haben mein Mann und ich je 3 Kilo abgenommen. Nicht, weil ich nicht gut kochen würde – glaub, denn sonst würde unser Sohnemann nicht derart zuschlagen. 😉 Mein Mann nimmt krankheitsbedingt ab und ich vor lauter Mit-Leid. Ich kenne das von mir: wann immer jemand der Familie krank ist, kriege ich dieselben Symptome, aber meist, ohne wirklich an derselben Krankheit ernsthaft zu erkranken. Einfach aus Empathie… Mein Mann ist es, der mich jeweils ermutigt, mich versteht, verwöhnt, geduldig und vorwurfsfrei ist. Ich glaube, einen solch lieben Mann, wie er mir geschenkt wurde, gibt es nirgendwo sonst. Er ist ein Geschenk Gottes und ich möchte das Leben noch so lange Jahrzehnte mit ihm zusammen geniessen können.

Ich möchte noch so lange mit ihm zusammen lachen.. Mit ihm plaudern und beten. Mit ihm zusammen austauschen über Trump, Montage, Husten, den vergangenen Tatort und über die Basler Fasnacht. Ich möchte mit ihm zusammen die Welt entdecken, welche sich hoffentlich noch lange weiter dreht. Ich hoffe, dass wir die USA Reise antreten können, welche wir bereits gebucht haben, bevor uns die Diagnose traf. Jeder von uns soll seiner geliebten Arbeit nachgehen und wir werden uns weiterhin darüber austauschen – er wird mein Erstleser sein für meine Artikel und ich werde ihn ab und zu an der Arbeitsstelle besuchen, wie bisher. Wir werden zusammen den Haushalt schmeissen, Familienfeste feiern, miteinander Konzerte geniessen, Filme schauen und darüber austauschen, unsere 30ig jährige Ehe feiern. Hoffentlich.

Nachtrag: fast unheimlich: heute Abend stand die Welt zwar nicht still, aber die Erde hat gebebt. Bei uns war es so, wie wenn ein Riese kurz das ganze Haus hochheben , raus aus den Angeln, etwas hin- und herschütteln und dann wieder unsanft niedersetzen würde. Bücher fielen aus dem Regal. Dachte zuerst, es sei einfach ein heftiger Windstoss gewesen. Aber dann begann unser Familienchat heiss zu laufen, denn auch in den Nachbardörfern war es spürbar und andere fragten mich auch per Whatsapp, ob ich was gespürt hätte…


Ich habe mit gott geredet darüber und ich meine, ihn so gehört zu haben:
“egal welche ursache dieses erdbeben hatte, dir persönlich soll es erstens als symbolik dienen, dass ich für dich die erde anhalten würde, wäre dir damit wirklich gedient. Ich habe das universum für dich aus lauter liebe angehalten, als jesus für dich starb. Das ganze universum hielt die luft an. Aus liebe und wertschätzung für dich. Jetzt trifft dich die erkrankung andys wie ein erdbeben. Du wirst zutiefst erschüttert und durcheinander gebracht. Dadurch stürzen festungen ein (!!) aber sei gewiss, mich selber kann nichts erschüttern. Ich bin betroffen und fühle mit dir. Aber nichts hebt mein reich aus den angeln. Steh im erdbeben auf meinem fundament. Es zerfällt nicht. Es hält ALLEM stand. Du wirst keinen schaden nehmen.”