Vor rund 30 Jahren zog ich bei meinen Eltern aus. Ich nahm nicht viel mit, sondern liess das meiste meiner Besitztümer und Kindheitserinnerungen im Kinderzimmer zurück. Vor 28 Jahren heirateten Andy und ich. Meine Eltern zogen kurz darauf ins Elternhaus meines Vaters um. Dies war der Zeitpunkt, an dem ich, vieles aus meiner Kindheit in unseren ersten, gemeinsamen Keller verlagerte. Nach zwei Jahren wurde uns die Wohnung wegen Eigenbedarf gekündigt. Zur neuen Wohnung gehörte ein riesengrosser Estrich. Also zügelte ich meine in Schachteln gehorteten Kindheitserinnerungen ungesehen mit. 10 Tage vor der Geburt unseres Jüngsten zogen wir in eine grössere 5.5 Zimmerwohnung um und hatten noch einen geräumigeren Estrich (Dachboden) als bisher. So nahm ich wiederum alles ungesichtet mit. Nun müssen wir Ende März in eine 4.5 Zimmerwohnung umziehen – ohne Estrich, bloss mit einem Kellerabteil. Dies heisst für mich: das erste Mal in meinem Leben wirklich mal räumen und Abschied nehmen von Kindheitszeichnungen, Schulheften, Briefen meiner 6 Brieffreundinnen, Pokalen/Medaillen, Büchern, Zeitungen, Nippsachen, Puppen und Puppenkleider, Bastelsachen, Bildern, Wandbehängen, Instrumenten, Musiknoten, Chorlieder, Kassetten…..Zu meinen persönlichen Erinnerungsstücken gesellten sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten munter Bastelerzeugnisse unserer drei Kinder, Geschenke und Briefe von ihnen, Fotos, Videos, CD’s….

Was da alles zum Vorschein kommen und einen erstaunen kann beim Räumen und Entrümpeln, habe ich in einem Album festgehalten.

Hätte sich beim Entrümpeln noch vor ein paar Jahren bloss die Optionen wegwerfen, behalten, verschenken oder verkaufen geboten, kommt heutzutage zum Glück eine weitere hinzu: digitalisieren. So ist unser Junge stundenlang beschäftigt mit Videos, Schallplatten und Kassettendigitalisierung – mit den neusten Programmen und hat auch bereits von auswärts Zusatzaufträge erhalten. Und wir restlichen der Familie – vor allem ich – scannen ebenso stundenlang Briefe, Fotos, Dias, Zeichnungen und anderes, was uns erhaltenswert erscheint. Nach dem Scannen können wir diese Dinge getrost entsorgen und haben so weniger Zügelballast.

Stichwort Ballast: wir veranstalteten einen Garagenflohmarkt, an dem wir das, was wir nicht mehr mitzügeln können, günstig verkauften.

So kamen an die Fr. 600.– zusammen. Freude hatte ich vor allem, dass für mein Rössli Hü, welches ich in der Haushaltungsschule selber gemacht hatte, ein neues Leben beginnen wird: es wird bei meiner Schwester Gästekinder erfreuen.

Am Tag nach dem Garagenflohmarkt, hatte ich das Gefühl, es befänden sich immer noch genau soviele Waren in den zwei Garagen wie vorher. Deshalb lud ich per Facebook und Twitter ein, sich gratis aus dem grossen, verbliebenen Rest zu bedienen. Viele Menschen kamen und füllten Autos voll mit Waren wie einer Spielküche aus Holz, welche mein Schwager für die Kinder selber hergestellt hatte, Haushaltungsgegenständen, Spielen, Bettwaren, CD’s etc. Wiederum einen Tag später fuhr ein Kleintransporter der Brockenstube Stans auf. Leider nahmen sie nur zwei grosse, gefüllte Kartonkisten, ein Heizöfeli und eine handvoll Kinderbücher mit. Zurück blieb immer noch eine grosse Menge an Waren, welche man im Alltag gut verwenden könnte. Ich gab nicht auf und schrieb noch ein paar Dinge wie Stelzen, Steckenpferde, Wecker mit Spielschiessfunktion, Massivholztisch, Pult, Bücher, Spiele zum Verkauf, bzw. zum Verschenken auf Facebook aus. Wiederum meldeten sich einige Leute, welche sich nochmals entweder gratis oder für ein paar Franken bedienen konnten. Gestaunt habe ich über zwei Frauen, welche den Weg per ÖV auf sich nahmen, um sich ein paar Bücher, welche dem Altpapier geweiht waren, zu erbarmen. 😉

Verblieben sind nun noch ein paar Kleinmöbel, ca. 25 gefüllte Kisten mit diversen Waren, welche ich versuche, Mitte Mai dem Sperrgut zu übergeben. Mich reut es, gewisse Sachen wie intakte Vasen, DVD’s, Knieschoner für Kinder und anderes einfach dem Güsel zu übergeben. 6 Kisten vollgefüllt mit Büchern, werden wir versuchen, der Bücher Brocki Luzern zu übergeben. Morgen holt jemand gratis das Pult aus meiner Kindheit ab und mein Mann bringt heute einer Familie die zwei Steckenpferde und zwei Paar Stelzen vorbei. Vielleicht werde ich im Dorf mal Kinder auf diesen Spielgeräten herumtollen sehen – das wird meine Freude sein!

Zudem füllten wir unzählige Abfallsäcke, eine Kiste, einen grossen Stoffsack und einen Koffer mit guterhaltenen Kleidern, Bett- und Frottéwäsche, Schuhen, Spielen, Plüschtieren und diversen Sporttaschen, Rucksäcken, Taschen. Dies alles werden wir Mitte April der Kleidersammlung für AVC übergeben. Wir spenden bereits seit Jahrzehnten Waren und Geld für dieses Werk, welche Menschen weltweit, aber vor allem in Osteuropa unterstützt. So eine grosse Menge kam aber bisher bei unserer Familie noch nie zusammen. 😉

Stichwort Ballast zum Zweiten: das grosse Aufräumen, Entrümpeln, Sichten, Entsorgen, war für mich wie eine Zeitreise zurück in meine Kindheits- und Jugendzeit. Ich bin eine Frau, welche nicht gerne Fotos aus alten Zeiten anschaut. Sie wecken in mir eine Wehmut nach einer vergangenen Zeit und dabei möchte ich doch lieber mein Leben heute leben. Aber es war gut, sich bewusst mit der Vergangenheit konfrontieren zu müssen. Wir haben als Familie viel gelacht, wenn wir 20jährige Videos betrachteten, welche unser 14jähriger digitalisierte oder wenn meine Kinderstimme aus einer alten Kassettenaufnahme ertönte. 😉 Unser Sohn hat gesehen, wie seine 8 und 10 Jahre älteren Schwestern aussahen, klangen und sich bewegten, als sie klein waren oder so alt, wie er jetzt ist. Und etwas ganz Wichtiges ist in meinem Leben geschehen: durch das Lesen alter Briefe wurden meine bisherigen Erinnerungen an meine Kindheit in ein ganz anderes Licht gerückt. Ich wurde geheilt. Es gab Erlebnisse, welche ich meiner Familie im Rückblick ganz anders erzählte, als dass sie sich jetzt in meinen Tagebucheinträgen oder in Briefwechseln darstellen. Meine persönliche Vergangenheit konnte ich auf diese Weise aufarbeiten und das allein war der ganze Aufwand des Räumens wert!